Französische Besatzungstruppen nach Kriegsende in Worms
Französische Besatzungstruppen nach Kriegsende in Worms

Nachkriegszeit: von Stallhasen, Kartoffelkäfern und Rübchen

Nach dem Krieg war die Ernährung der Familie ein großes Problem. Da war Kreativität und Fleiß gefragt. Lesen Sie von Stallhasen, Zuckerrüben und Kartoffelkäfern...

Die Landwirtschaft kurz nach dem Krieg war mühseelig
Die Landwirtschaft kurz nach dem Krieg war mühseelig
© Fotograf: Quelle: Stadtarchiv

Stallhasen - gestohlen oder selbst gegessen?

Wie viele Mitbürger hielten auch wir in den Nachkriegsjahren Stallhasen. Die Suche nach Grünfutter war gar nicht so einfach. Ich erinnere mich, dass ich einmal mit dem Rucksack Disteln im Mittelbusch holte. Wenn Hasen geschlachtet wurden, war das für uns Kinder sowohl ein Trauer-, als auch ein Freudentag. Wir trauerten den lieben Tierchen nach, die wir von ihrer Geburt an begleitet hatten, freuten uns aber auch, wenn wieder einmal ein leckerer Braten auf dem Speiseplan stand.

Begehrtes Diebesgut

Einige der Hasen wurden zu Wurst verarbeitet, die nicht selten mit Karotten und Kartoffeln "verlängert" wurde. Auch die abgezogenen Hasenfelle wurden vermarktet. Mit Stroh ausgestopft und getrocknet konnten sie an die Firma Renopella (bei Heyl-Liebenau) verkauft werden, wo sie zu Mänteln und dergl. verarbeitet wurden.

Weil Stallhasen vor Diebstahl nicht sicher waren, musste jeder "Hasenkasten" mit einem Vorhängeschloss gesichert werden. Groß war die Aufregung, als sich einer unserer Nachbarn mehrmals über den Diebstahl eines schlachtreifen Hasen beschwerte.

Schließlich aber kam die Ehefrau ihrem Mann "auf die Schliche" und musste feststellen, dass dieser den Hasen selbst "gestohlen" und mit einer Freundin verspeist hatte...

Die Wormser Innenstadt im Juli 1945
Die Wormser Innenstadt im Juli 1945
© Fotograf: Quelle: Stadtarchiv

Zuckerrüben - Süßer Sirup aus "Fallobst"

Aus Zuckerrüben ließ sich in mühsamer Arbeit ein Sirup kochen. Woher aber die Zuckerrüben nehmen?

In der Nähe unserer Wohnung bogen die hochbeladenen Rübenfuhrwerke der Bauern aus Hochheim, Pfiffligheim und Leiselheim aus der Liebenauerstraße kommend in die Bebelstaße ab.

Waren die Fuhrwerke ein wenig zu schnell, konnte es vorkommen, dass einige Rüben zu unserer Freude von der "Rolle" fielen. Anderenfalls versuchten wir, mit einem Stock, an dessen Spitze wir einen Nagel befestigt hatten, Rüben von der Ladung zu "pieksen".

Dabei mussten wir uns sehr in acht nehmen, denn manche Bauern versuchten, ihre Ladung mitteln einer Peitsche zu verteidigen. Waren wir erfolgreich, durchzog in den nächsten Tagen ein süßlicher Gestank die Wohnung und das Haus.

"Rübchen stellen" für ein Vesperbrot

Es muss im Frühjahr 1947 gewesen sein, als jeweils nach Schulschluss ein Traktor mit Anhänger vor der Westendschule mitfahrbereite Schüler aufnahm und nach Offstein brachte. Unsere Aufgabe war es, dort auf den großen Äckern der Zuckerfabrik die Rübenpflänzchen zu vereinzeln.

Ich machte diese Arbeit vor allem aus dem Grund gerne, weil es in der Halbzeit ein Vesperbrot und nach Feierabend in der Kantine der Zuckerfabrik einen Brei gab, soviel man essen konnte. Ich hatte immer ein Milchkännchen dabei, konnte es mit Brei füllen und so auch noch etwas für die Familie mit nach Hause bringen.

Als weitere "Entlohnung" wurde uns pro Nachmittag ein Betrag von 50 Pfennigen in Form eines 50-Pfennig-Scheines gezahlt. Die ganze Aktion hatte allerdings insofern eine negative Seite, als einige der mitfahrenden Schüler vor Antritt der Heimfahrt Steine aufsammelten und damit in Offstein, Heppenheim und Horchheim im Vorbeifahren Fensterscheiben einwarfen.

Die Dorfjugend startete an den nächsten Abenden einen Gegenangriff und es hagelte Steine auf den Anhänger.

zu dieser Zeit ein unvorstellbarer Luxus: Spargel im Überfluss
zu dieser Zeit ein unvorstellbarer Luxus: Spargel im Überfluss
© Fotograf: Quelle: Stadtarchiv

Kartoffelkäfer in der Flasche

Das Jahr 1947 muss für Kartoffelkäfer ein überaus erfolgreiches Jahr gewesen sein. Weil die Kartoffelernte durch die Käferplage gefährdet war, wendeten sich die Bauern hilfesuchend an die Schulen.

An einem Vormittag wurde meine Klasse zum "Kartoffelkäferablesen" auf einen Acker im Bereich des Mondscheinweges "abgeordnet". Jeder Schüler wurde mit einer Flasche ausgestattet und beauftragt, die gestreiften Käfer, ihre roten Larven und Blätter mit den gelben Eiern in der Flasche zu sammeln.

Ich ging mutig an die Arbeit und war lange vor den anderen am Ende meiner Reihe angelangt. Der Bauer misstraute meiner Geschwindigkeit und wunderte sich, dass er nur Käfer in meiner Flasche fand. Aber seine Kontrolle führte zu keiner Beanstandung.

Mein Trick: ich sammelte nur die Käfer in die Flasche, während ich die Larven und Eier mit den Fingern zerdrückte. Das war zwar nicht besonders appetitlich, aber rationell.

Eine Brezel und ein Kakao zur Einweihung der neuen Rheinbrücke 1953 für die Schulkinder
Eine Brezel und ein Kakao zur Einweihung der neuen Rheinbrücke 1953 für die Schulkinder
© Fotograf: Quelle: Stadtarchiv Worms

Schulspeisung auf Anzug 
Anschlag auf den Rektor

Ich erinnere mich noch gerne an die Schulspeisung während der Nachkriegsjahre, auch wenn ich nicht stark unterernährt und deshalb nur "Ersatzesser" war. Dankbar waren wir zunächst für eine undefinierbare Suppe oder Haferflockenbrei, später aber vor allem für Kakao und Rosinenbrötchen und besonders für die 50 gr. Schokoladentäfelchen.

Diese erste Schokolade nach dem Krieg teilte ich zu Hause mit meinen noch nicht schulpflichtigen Schwestern.

Rektor R. von der Westendschule, wegen seiner Strenge nicht bei allen Schülern beliebt, wurde eines Tages Opfer eines "Schulspeisungs-Anschlags", "ausgeheckt" von einigen Schülern der oberen Klasse. Ein Schüler ging mit seiner gefüllten Breischüssel auf den Rektor zu, täuschte ein Ausrutschen vor und schüttete ihm den Inhalt der Steingutschüssel über den Anzug. Über und über bekleckert zog sich der Lehrer ins Lehrerzimmer zurück. Ich habe diesen Vorfall aus dem Grund so gut behalten, weil ich vom Rektor beauftragt wurde, bei seiner Frau zu Hause in der Hochheimer Straße ein frisches Hemd und einen frischen Anzug zu holen.

Erinnerungen von Manfred Baumann, Januar 2013

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