Nach dem Krieg war die Ernährung der Familie ein großes Problem. Da war Kreativität und Fleiß gefragt. Lesen Sie von Stallhasen, Zuckerrüben und Kartoffelkäfern...
Einige der Hasen wurden zu Wurst verarbeitet, die nicht selten mit Karotten und Kartoffeln "verlängert" wurde. Auch die abgezogenen Hasenfelle wurden vermarktet. Mit Stroh ausgestopft und getrocknet konnten sie an die Firma Renopella (bei Heyl-Liebenau) verkauft werden, wo sie zu Mänteln und dergl. verarbeitet wurden.
Weil Stallhasen vor Diebstahl nicht sicher waren, musste jeder "Hasenkasten" mit einem Vorhängeschloss gesichert werden. Groß war die Aufregung, als sich einer unserer Nachbarn mehrmals über den Diebstahl eines schlachtreifen Hasen beschwerte.
Schließlich aber kam die Ehefrau ihrem Mann "auf die Schliche" und musste feststellen, dass dieser den Hasen selbst "gestohlen" und mit einer Freundin verspeist hatte...
Aus Zuckerrüben ließ sich in mühsamer Arbeit ein Sirup kochen. Woher aber die Zuckerrüben nehmen?
In der Nähe unserer Wohnung bogen die hochbeladenen Rübenfuhrwerke der Bauern aus Hochheim, Pfiffligheim und Leiselheim aus der Liebenauerstraße kommend in die Bebelstaße ab.
Waren die Fuhrwerke ein wenig zu schnell, konnte es vorkommen, dass einige Rüben zu unserer Freude von der "Rolle" fielen. Anderenfalls versuchten wir, mit einem Stock, an dessen Spitze wir einen Nagel befestigt hatten, Rüben von der Ladung zu "pieksen".
Dabei mussten wir uns sehr in acht nehmen, denn manche Bauern versuchten, ihre Ladung mitteln einer Peitsche zu verteidigen. Waren wir erfolgreich, durchzog in den nächsten Tagen ein süßlicher Gestank die Wohnung und das Haus.
Ich erinnere mich noch gerne an die Schulspeisung während der Nachkriegsjahre, auch wenn ich nicht stark unterernährt und deshalb nur "Ersatzesser" war. Dankbar waren wir zunächst für eine undefinierbare Suppe oder Haferflockenbrei, später aber vor allem für Kakao und Rosinenbrötchen und besonders für die 50 gr. Schokoladentäfelchen.
Diese erste Schokolade nach dem Krieg teilte ich zu Hause mit meinen noch nicht schulpflichtigen Schwestern.
Rektor R. von der Westendschule, wegen seiner Strenge nicht bei allen Schülern beliebt, wurde eines Tages Opfer eines "Schulspeisungs-Anschlags", "ausgeheckt" von einigen Schülern der oberen Klasse. Ein Schüler ging mit seiner gefüllten Breischüssel auf den Rektor zu, täuschte ein Ausrutschen vor und schüttete ihm den Inhalt der Steingutschüssel über den Anzug. Über und über bekleckert zog sich der Lehrer ins Lehrerzimmer zurück. Ich habe diesen Vorfall aus dem Grund so gut behalten, weil ich vom Rektor beauftragt wurde, bei seiner Frau zu Hause in der Hochheimer Straße ein frisches Hemd und einen frischen Anzug zu holen.
Erinnerungen von Manfred Baumann, Januar 2013