Französische Besatzungstruppen nach Kriegsende in Worms
Französische Besatzungstruppen nach Kriegsende in Worms

Urlaub auf Ehrenwort

Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die deutschen Kriegsgefangenen als "Prisonniers de Guerre" (PG) in Frankreich zum Wiederaufbau eingesetzt. Dies geschah in den ehemaligen Kampfgebieten, sogar zum Minenräumen, in privaten Unternehmen und in der Landwirtschaft.

Im Februar 1948 auf dem Bahnhof: August Dehn und Richard Ritscher, von links
Im Februar 1948 auf dem Bahnhof: August Dehn und Richard Ritscher, von links
© Fotograf: Foto: Edmund Ritscher

"freiwillig" in Frankreich bleiben

Diese Arbeiten waren für die damalige französische Volkswirtschaft lebensnotwendig gewesen. Außerdem schufteten von 1946 bis 1947 50.000 Gefangene in den französischen Kohlebergwerken und erbrachten sogar 30 % der Gesamtförderung. Dies war härteste Arbeit von beruflich unerfahrenen Leuten.

Unter diesen vielen Kumpels war auch Richard Ritscher aus Ibersheim. Das Bergwerk lag wenige Kilometer von der französisch-deutschen Grenze bei Forbach (Mosel) entfernt im Saarkohlebecken in St. Avold und Merlebach. Bis zu seiner Heimat waren es nur 150 km. Seine Frau mit den beiden kleinen Kindern wusste damals nicht wo er ist und ob er noch lebt. Die nahe Grenze und die Grenzposten kannte Ritscher vom "Spaziergehen" gut, sodass er eine Desertion (Fahnenflucht) wagte, die aber leider schief ging. Daraufhin musste er ins Lager zurück. Von den Umständen hat er nie gesprochen. Wer hätte solche Situationen auch begreifen können?

Geringer Lohn

Frankreich war auf die Arbeitsleistung der Gefangenen angewiesen und konnte noch keine Entlassungen vornehmen, obwohl dies mittlerweile völkerrechtlich notwendig geworden wäre. In dieser Situation wandelte man die Kriegsgefangenen in "freie Zivilarbeiter" um. Wer einen Arbeitsvertrag unterschrieb, konnte in seinem Beruf arbeiten, erhielt den gewöhnlichen Lohn und was am wichtigsten war: Man erhielt einen Monat unbezahlten Heimaturlaub! Der Kontrakt galt für ein Jahr. Danach konnte man endgültig in die Heimat zurückkehren.

Richard Ritscher unterschrieb einen solchen Vertrag im November 1947, nahm eine Beschäftigung in seinem erlernten Beruf als Elektromotorenwickler an und wurde Vorarbeiter. Seine Arbeitsstelle war die gerade gegründete "Auxerre Bobinage", heute Pichon SA, ein Betrieb für Wartung und Reparaturen von Elektromotoren mit Zubehör in Auxerre, der heutigen Partnerstadt von Worms. Im Januar 1948 konnte er endlich für einen Monat in Urlaub fahren und seine Familie sehen.

Von seinem ersparten Geld hatte er sich vorher eingekleidet und den Kindern Orangen und Bananen mitgebracht. Die Südfrüchte kannte man genau so wenig, wie den Mann, den man als Papa vorgestellt bekam. Die Wiedersehensfreude war natürlich überall sehr groß und erst recht die Dankbarkeit, dass man gesund und überhaupt nach Hause kommen konnte, obwohl es zunächst nur für einen Monat war.

Nach vier Wochen war im Februar 1948 der Sonderurlaub zu Ende und es ging von der Französischen Besatzungszone wieder zurück nach Auxerre in Burgund. Der Schäferhund "Alma", der zur Sicherheit angeschafft werden musste, heulte zum Abschied noch minutenlang hinterher. Unterwegs auf der beschwerlichen Bahnfahrt trafen sich beim Umsteigen auf einem Bahnhof, zwei Ibersheimer. Beide waren auf dem Weg von ihrem Heimaturlaub als "freie" Zivilarbeiter zu ihrer Arbeitsstelle in Frankreich: August Dehn und Richard Ritscher.

Erinnerungen von Edmund Ritscher, Mannheim, Februar 2013

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