Zerstörte Eisenbahnbrücke bei Worms
Zerstörte Eisenbahnbrücke bei Worms

Zonengrenze am Rhein -

Nachkriegserinnerungen

Nach Ende des 2. Weltkrieges gab am Wormser Rheinufer wieder einen Grenzübergang: die "Zonengrenze" zwischen der amerikanisch / britisch besetzten Zone (hessische Rheinseite) und der französisch besetzten Zone (Wormser Rheinseite). Friedrich Spiegel erinnert sich:

Zerstörte Eisenbahnbrücke bei Worms
Zerstörte Eisenbahnbrücke bei Worms

Grenze direkt vor der Haustüre

Nach 1945, Deutschland lag in Trümmern, auch Worms war stark zerstört. Das ehemalige Deutsche Reich war besiegt und zerschlagen und wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt: Im Norden und Westen die britische Besatzungszone, im Westen die französische im Südwesten die amerikanische, im Osten die sowjetische Besatzungszone, aus der später die DDR wurde.

Nach 1945 gab es zwischen den rechts- und linksrheinischen Gebieten (den heutigen Bundesländern Rheinland-Pfalz und Hessen) wieder eine Grenze. Der Rhein markierte den Grenzverlauf. Zunächst waren beide Regionen von den Amerikanern besetzt, später rückten die Franzosen im heutigen Rheinland-Pfalz ein, danach übernahmen wieder die Amerikaner.

"Die Zonengrenze war eine von Soldaten bewachte Grenze zwischen Rheinland-Pfalz und Hessen. Dort drüben (Hessen) war die "Bi-Zone", nicht nach dem hessischen "bi", was soviel wie "Biene" heißt, wie meine damals 80-jährige Großmutter glaubte, sondern weil ein Zusammenschluss der amerikanischen und britischen Zone erfolgte.

In Worms war der Grenzübergang in Höhe der heutigen Gaststätte "Hagenbräu" am Rheinufer. Damals hieß es noch "Rheincafe". Dort befand sich eine Pontonbrücke, also eine auf dem Wasser schwimmende Behelfsbrücke (die Rheinbrücke war zerstört - Anmerkung der Redaktion).

Die Grenzkontrollen wurden zunächst von amerikanischen, später von französischen Soldaten durchgeführt. Die "Amis" (Amerikaner), wie wir sie zu ihrem Unwillen nannten, machten mehr oder weniger lässige Passkontrollen, während es die Franzosen auf die häufig über den Rhein geschmuggelten Waren abgesehen hatten. In den zerbombten Städten kam es kaum das Nötigste. Die Menschen versuchten daher oft auf dem, eher weniger in Mitleidenschaft gezogenem Land, zum Beispiel bei Bauern, Nahrungsmittel zu "organisieren".

Einmal kam ein Bauer mit seinem Ferkel zur Zonengrenze. Der Franzose wollte es beschlagnahmen. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Franzosen war so kurz nach dem Krieg nicht das beste. So fiel das arme Ferkel "plötzlich" in den Rhein und verschwand...

Ein anderes Mal hatte Dr. Franz K.* in Hessen eine Korbflasche Wein "organisiert", wobei "organisieren" die Beschaffung mit allen möglichen Mitteln umfasste, insbesondere Dinge, die es nicht auf "Bezugsmarken" gab oder wenn die Marken aus waren. Freudig rief der "Schmuggler" kurz hinter der Grenze "gerettet", stellte aber die Korbflasche so unsanft auf den Boden, dass diese zerbrach...

Es gab aber auch andere (Schleich)Wege über die Grenze. So wurde ich von einem Bekannten eines Bekannten über die im Bau befindliche Eisenbahnbrücke über den Rhein gelotst. Über einen Mauerdiel, ohne Absicherung, unter mir der gurgelnde Rhein-Strom.

Die Rückkehr sollte eigentlich zu einem für später festgelegten Zeitpunkt per Boot erfolgen. Als ich zum vereinbarten Zeitpunkt aus Lindenfels (im Odenwald) zurück kam, war die Wachmannschaft an der Eisenbahnbrücke ausgetauscht worden und mir wurde der Zugang verwehrt. So musste ich über den offiziellen Weg, die Pontonbrücke, zurück nach Worms. Mit gemischten Gefühlen ging ich zum Übergang. Dort hatte ein "Ami", ein amerikanischer Wachsoldat, Dienst. Ich bemerkte, dass der Amerikaner ein Kruzifix um den Hals trug. Ich ging auf ihn zu und erklärte ihm, ich käme gerade von der Heiligen Kommunion meiner Cousine. Mit "O.K." ließ er mich in die Heimat zurück.

In anderen Fällen passierte ich die Grenze mit dem Pass meines Bruders, der Arzt war, oder meines Vaters, ein Eisenbahner, und entsprechenden Armbinden als Erkennungszeichen dieser damals sehr angesehenen Berufe. Auch die Begleitung durch meine 40 Jahre ältere Mutter lies mich unbehelligt bleiben.

Mehrfach haben wir die "Fluss-Grenze" auch schwimmend überquert. Wir legten die Kleider am Wormser Rheinufer ab und schwammen hinüber. Kein ungefährliches Unterfangen. Auf der anderen Rheinseite wartete ein Freund mit frischer Kleidung. Er hatte einen Pass und konnte die Grenze offiziell passieren. Dieser "Trick" führte einmal zu einem Missverständnis mit Schrecken: Freunde, die mich haben schwimmen sehen, später aber nur noch meine Kleidung am Ufer fanden, gingen von einem Unglück, meinem Ertrinken, aus und verständigten meine Eltern.

Schüler sein nach 1945

Luxus Kartoffelsalat
Mit der Schule fuhren wir ab und zu nach Wiesbaden in Museen und Kunstausstellungen. Wir gingen dort in ein feines Café. Aber Essen gab es ohne Marken nicht. Plötzlich nahm ein Mitschüler eine Thermosflasche aus seiner Tasche und löffelte Kartoffelsalat auf einen kleinen Teller. Welch ein Luxus! Uns anderen stockte der Atem, aber er machte ruhig weiter.

Dem Dom aufs Dach steigen

Ich ging auch mit meinem Freund Gottfried J.* hin und wieder auf den Dom. Gottfried war mit den damaligen Wächtern, schwarz gekleidete Mönche von denen einer Ganggolf hieß, befreundet. Sie ließen uns immer auf den "Eselsturm" (der südliche Turm heißt Eselsturm, weil anstatt einer Treppe eine Rampe mit Kieselsteinbelag hochführt). Von da an ging es über ungesicherte Außenmauern zum östlichen Vierungsturm. Das Dach des Domes war durch Bombenangriffe abgebrannt.

Vom Vierungsturm konnte man auf die Galerie gelangen, wobei man aus einem Dachfenster ins Freie aussteigen und eine eiserne Leiter erklimmen musste.

In jugendlichem Alter bot ich mich meiner Schulklasse als Führer für dieselbe Tour an, ich ging vorneweg. Als ich dann zu besagter eisernen Leiter kam, schaute ich hinunter. Aus meiner tollkühnen Absicht wurde schlagartig Höhenangst, die mich bis heute begleitet.

Schwarzmarkt am Pfrimmpark

Am Osteingang zum Pfrimmpark, der eigentlich "Karl-Bittel-Park" heißt, war ein Hauptumschlagsplatz für Waren aller Art. Hier tauschten die notleidenden Deutschen mit den Besatzern alles Erdenkliche. Dort konnte man schnell mal in die Büsche verschwinden, wenn die deutsche Polizei kam. Die behelligte freilich nur die deutschen "Täter". Noch gefürchteter jedoch war die "MP", die "Military Police", die stets hart durchgriff, gegen jeden!

Meinem Freund Heinz H.* gelang es einmal nicht mehr rechtzeitig zu flüchten und er wurde "erwischt". So wurde er am Ende in die deutsche Polizeikaserne, die damals noch auf dem heutigen Gelände der Fachhochschule war, abgeführt. Schließlich gab ihm der Polizist eine saftige Ohrfeige und der Fall war erledigt...

Besonders bei den Amerikanern beliebt waren deutsche Orden und Abzeichen, die sie gerne gegen Zigaretten, Kaffee und Lebensmittel tauschten. Irgendwann aber gingen uns die Orden aus und wir begannen, alte Winterhilfsplaketten und ähnliches als "Orden" anzubieten. Es funktionierte...

Auch das gab es...

Wie damals üblich, war auch ich Jungzugführer beim Jungvolk, gleichzeitig aber auch Obermessdiener bei den Dominikanern. Ich kam einst mit der "Affenschaukel" (eine silberne Schnur, die als Auszeichnung für gutes Schießen an der Uniform getragen wird) und Jungvolkuniform zu den Patres. Keiner sagte etwas...

Andererseits erzählte ich beim Jungvolk von den Veranstaltungen der katholischen Kirche. Keiner sagte etwas...

Mit jugendlichem Stolz trug ich als einziger meines Fähnleins, einer Gruppe von 100 Mann, das silberne Schießabzeichen. Diesen, meinen einzigen Orden, kann ich aber nicht tragen, weil auch diese, eigentlich sportliche Leistung, von den Nazis missbraucht wurde und auf dem Orden eine NS-Rune abgebildet ist...

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