Treidelschiff
Treidelschiff

Kolbs Biergarten schon im Mittelalter beliebt

Eine der traditionsreichsten Wormser Gastwirtschaften, heute "Kolbs Biergarten", war schon im Mittelalter beliebtes Einkehrziel. Die "Treidelschiffer", die "bergauf", also stromaufwärts, fuhren, machten hier in Worms Station, um Pferde zu wechseln und um Körper und Geist zu stärken. Lesen Sie die Geschichte der Treidelschiffer von Norbert Falkenhage.

Treidelschiff
Treidelschiff
© Fotograf: Quelle: wikipedia

Stammgäste in der ältesten Wormser Gaststätte?

In meiner Weisenauer Verwandtschaft war über Jahrzehnte in Vergessenheit geraten, dass wir auch schiffige Vorfahren hatten. Erst vor etwa 6 Jahren kam ich mit einem ehemaligen Standesbeamten in Kontakt, der diesen Zweig erforscht und zu Papier (Ahnenliste) gebracht hatte. Es war eine echte Überraschung.

Während meiner Kindheit hatten wir in erhöhter Lage in der Nähe des Weisenauer Rheinufers gewohnt, mit einem weiten Ausblick auf den Fluss und die gegenüberliegende Landschaft. Mit dem Schiffsverkehr waren wir bestens vertraut, weil wir ihn ständig vor Augen hatten. Und jetzt stellte sich heraus, dass wir unter den Vorfahren auch Schiffleute hatten.

Der erste Schiffer aus diesem Vorfahrenzweig kam aus einer Weisenauer Bäckerfamilie. Da er der Zweitgeborene war und die väterliche Bäckerei nicht übernehmen konnte, wählte Adam Faulhaber um 1705 den Schifferberuf. Für ihn und seine männlichen Nachkommen war es offenbar ein Traumberuf, denn er wurde der Stammvater von mehreren Generationen von Schiffleuten, die über eine Zeitspanne von ca. 250 Jahren, den Rhein, den Main und den Neckar befuhren.

Einbürgerungsurkunde von 1788
Einbürgerungsurkunde von 1788
© Fotograf: Norbert Falkenhage

Historisches Dokument

Die ersten 150 Jahre mit hölzernen Treidelschiffen, später dann mit Lastkähnen, die von Dampfschiffen gezogen wurden. Im Nachhinein war der bekannteste von ihnen Heinrich Faulhaber. Aber nur deshalb, weil er 1788 beim Mainzer Vizedomamt den Antrag gestellt hatte, in die Mainzer Bürgerschaft und in die dortige Schifferzunft aufgenommen zu werden. Und zwar als Steuermann für die Rheinstrecke von Mainz nach Mannheim.

Die seltene „Einbürgerungsakte“ von damals ist noch erhalten und wird heute beim Mainzer Stadtarchiv aufbewahrt. Kopien der handgeschriebenen Dokumente konnte ich mir besorgen. Gegenüber heute hatten die „Mühlen der Verwaltung“ in kurfürstlicher Zeit sehr langsam gemahlen. Überhaupt war es nicht einfach, Stadtbürger zu werden. Eheliche Geburt, einwandfreier Leumund, absolvierte Gesellen-Wanderjahre und ein gewisses Vermögen waren Voraussetzung. Für Mainz musste er auch katholisch sein. Der Schriftwechsel endete 1790, ohne dass eine Entscheidung gefallen war. Ein paar Jahre später war die kurfürstliche Zeit vorbei und die Franzosen hatten das Sagen.

Einkehren und Pferde wechseln

Ganz gleich, ob Heinrich Faulhaber, seine Vor- oder Nachfahren die Strecke von Mainz nach Mannheim oder Speyer als Schiffsknechte, Steuermänner oder Eigner gefahren sind, immer wurde bei der Bergfahrt auch das Wormser Ufer angefahren, denn in der Treidelstation (heute Kolbs Biergarten) musste Treidelknecht und Pferd gewechselt werden und wenn es zeitlich passte, wurde dort auch eingekehrt oder übernachtet.

Der Rheinabschnitt zwischen Mainz und Mannheim und darüber hinaus, wurde im neunzehnten Jahrhundert ausgebaut, die Strecke begradigt und die Ufer befestigt. An die ehemaligen Treidelpfade erinnern heute die Leinpfade, die für die Unterhaltung der Uferbereiche angelegt wurden. Mit welchen Schwierigkeiten die Treidelschiffleute damals zu kämpfen hatten, kann man heute noch an der mächtigen Kiesbank am Ufer südlich der Stadt Worms erkennen.

Bei Niedrigwasser kann man dort vielleicht 100 m weit in den Fluss hineinlaufen. Das heißt, damals mussten auch die Treidelpferde weit hinaus in den Fluss, damit die Schiffe keine Grundberührung bekamen.

Die Treidelschiffahrt war eigentlich immer gefährlich. Niedrigwasser, Hochwasser, Eisgang im Winter und natürlich die Kriegszeiten machte den Schiffleuten das Leben schwer. Trotzdem hatte die Faulhaber-Sippe über die Jahrhunderte keine berufsbedingten Todesfälle zu beklagen. Erst als der letzte von ihnen, er war Miteigentümer eines großen Lastkahnes, schon dabei war, den Beruf aufzugeben, forderte der Fluss ein Opfer. Sein vielleicht 10 Jahre alter Enkelsohn ertrank kurz nach dem 2. Weltkrieg beim Schwimmen im Rhein.

Worms, im Februar 2013, Norbert Falkenhage

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