Wussten Sie, dass der berüchtigte Räuber Johannes Bückler (1779-1803), auch bekannt als "Schinderhannes" oder "Robin Hood des Hunsrücks", nördlich von Worms bei Hamm mehrmals den Rhein überquert hat? Hans-Jörg Kircheis, Sohn des früheren Wormser Kunstmalers Hanns Kircheis, berichtet uns davon:
Viele Leute in Worms kennen die Abenteuer des Johannes Bückler, genannt "Schinderhannes", der auch als "Robin Hood des Hunsrücks" bekannt war. Er beraubte in der Gegend zwischen Westerwald, Taunus und Odenwald die Leute und entkam immer wieder durch seine Rheinüberquerungen, viele bei Worms, bis er mit 37 Jahren gefangen wurde und in Mainz geköpft wurde.
Ergänzung der Redaktion: / Der "Hannes" hielt sich öfter in Worms und im Wonnegau auf. Er soll mehrfach zu Gast auf der "Monsheimer Kerb" gewesen sein und sich dort "im ganzen erträglich benommen" haben.
Damals hatten die Menschen gehörigen Respekt und Angst vorm "Schinderhannes", schließlich war er ein Räuber. Bei seinen meist nachts erfolgten "Wanderungen" war der Räuberhauptmann oft genötigt, nach dem Weg zu fragen. Dabei klopfte er an verschlossene Fensterläden und parierte auf die Frage, wer da sei: "der Hannes ist da!"
Noch lange nach dem Tode des Räuberhauptmannes haben sich ängstliche Gemüter, auch wenn ein ganz ungefährlicher Nachbar in der Dunkelheit an den Laden klopfte, gefürchtet, das Fenster zu öffnen, weil man immer noch fürchtete, die nervenerschütternde Parole hören zu müssen "der Hannes ist da!" /
Aber woher kommt der Name "Schinderhannes"? Sein Vater Johann Bückler war in seinen jungen Jahren als Abdecker tätig. Auch der Sohn lernte das Gewerbe als Abdeckerknecht. Im Abdeckergewerbe werden verendeten Tierkadavern die Haut abgezogen (abgedeckt) und verwertet. Alle Innereien, die für den Verzehr nicht geeignet sind, werden zu Fetten, Futtermehl, etc. verarbeitet. Das Gewerbe war verrufen. Auch wegen des Gestanks, erzeugt durch Verbrennung von tierischem Überbleibsel. Eine Abdeckerei im nahegelegenen Osthofen wurde deswegen geschlossen.
War es also der Niedergang vom "schönen Hans" zum "Schinderhannes" was meinem Vater, der auch den Namen "Hanns" hatte, imponierte? Sie hatten Gemeinsamkeiten. Beide hatten ein bewegtes Leben, und mussten deshalb früh sterben.
Mit 27 Jahren, das war 1940, wurde mein Vater in Hitlers Wehrmacht eingezogen. Bald danach wurde er bei schweren Frontkämpfen vor Stalingrad, lebensgefährlich verwundet. Er sah wie seine Kameraden links und rechts gefallen sind und zur Unkenntlichkeit verstümmelt wurden. Als er 1944 von den Schlachtfeldern nach Hause kam, litt er unter einer akuten "posttraumatischen Belastungsstörung", deren Folgen zu einer immer schlimmer werdenden Alkoholkrankheit führten.
Trotzdem war er fähig seine Bilder zu malen, bis kurz vor seinem Tod mit 47 Jahren, verursacht durch Leberzirrhose. Er war von 1945 – 1961 in Worms als Kunstmaler tätig. Seine Bilder hatten meist Wormser Motive zum Gegenstand, etwa die "Hagenstraße mit Ostchor des Domes", aufbewahrt im Archiv des Museums oder "Das Hagendenkmal", zu sehen im Gasthaus "Hagen" in der Hagenstraße. Auch im Bahnhof-Restaurant 1. Klasse um 1955 hing ein Bild von ihm: die "Münze"" im Großformat. Viele seiner Bilder sind im Laufe der Zeit, da in Privatbesitz, in Vergessenheit geraten. Zu seiner Zeit war mein Vater einer der wenigen Künstler, der in Worms - neben Richard Stumm - bekannt war.
Der Schinderhannes ist nach der Chronik 13-mal bei Hamm über den Rhein geflohen. In Wirklichkeit müßte es auf Ibersheimer Gemarkung oder an der Hamm / Ibersheimer Grenze gewesen sein. Die Wormser Stadtgrenze ist am Rhein hinter dem Ortsgebiet von Hamm. (Ibersheimer Wörth). Das Gelände in diesem Rheinabschnitt ist auch zu anderen Zeiten für "naturgeschützte" Übergänge benutzt worden, zum Beispiel sind die Amerikaner im März 1945 auf mehreren Pontonbrücken hier über den Rhein gewechselt, Raubritter Heinrich hatte hier ein leichtes Spiel mit den Handelsleuten und vor der Währungsreform 1948 war hier jeden Abend ein schwunghafter Tauschhandel gewesen.
Die Verwandten des Schinderhannes
Der Autor dieser Anekdote, Hans-Jörg Kircheis, Sohn des früheren Wormser Kunstmalers Hanns Kircheis (1913-1961), hatte 40 Jahre in den USA (New York) studiert, als Architekt gearbeitet und gelebt. Im Jahr 2005 kehrte er wieder in die Heimat zurück. Zusammen mit seiner Frau Birgit Kircheis setzt er die künstlerische Tradition seines Vaters fort. Das Paar lebt und arbeitet in Dittelsheim-Hessloch, nahe Worms.